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Der Wasserfall von Partschins

Nach dem Essen, stellen sie der Bedienung ein paar Fragen zum Wasserfall.

„Gibt es hier einen Wandersteg?“

Sie wissen, es gibt einen. Das haben sie bereits im Netz gelesen. Karin spekuliert aber auf ein paar Extrahinweise. Sie geht davon aus, die Gastgeber wissen mehr. Fehlanzeige. Die Bedienung ist nicht von hier. Sie müssen das selbst erkunden.

Am Haus geht ein schmaler Pfad hinauf. Den wollen sie nutzen. Weiter Oben sehen sie einen Wandersteig. Gesichert, wie sie bemerken. Den wollen sie am ersten Tag besuchen. Sie müssen eine Route finden.

Der Boden wirkt etwas klitschig. Damit haben sie gerechnet. Genau das, macht eben das Wasserfallsteigen aus. Das ist der besondere Kick. Sie wollen keine Aufmerksamkeit erregen. Niemand soll genau erfahren, was sie vorhaben.

Die Zimmermädchen bemerken aber ihr Anliegen. An den Sachen, die in ihren Zimmern herum liegen. Genau das wird so zum Ortsgespräch. Es dauert nicht lange und Viele wissen Bescheid. Im Gasthof bekommen sie schon reichlich Fragen diesbezüglich.

Sie brechen auf zum Klettersteig. Der wirkt schon etwas anspruchsvoll. Wie sie bemerken, läuft der Fall ziemlich gemütlich. Das wäre ideal zum Klettern. Zumal sie einige Passagen sehr dicht am Wasser klettern müssen. Günter misst den Druck des Wassers.

„Nicht schlecht“, sagt er voller Bewunderung. „Wir müssen gut sichern.“

Am oberen Wandersteig angekommen, versuchen sie schon, die Steine zu betreten. Sie brauchen unbedingt den Kontakt. Der Vorteil von Wasserfällen wird auch recht schnell deutlich. Die Steine liegen etwas fester. Sie wirken irgendwie gebundener als an Felswänden.

„Wir müssen morgen auch runter. Wir brauchen den Einstieg – unten.“

Der Einstieg ist nur quer begehbar. Über den kleinen See kommen sie nicht ran. Es ist wie bei den anderen Wasserfällen auch. Nur wenige sind direkt von Unten begehbar.

Bustouristen bemerken ihr Tun. Sie fotografieren. Im Gasthaus sind schon reichlich Touristen angekommen.

„Das scheint eine Attraktion zu sein“, bemerkt Beate.

„Die sind wegen dir da. Du bist die Attraktion“, schmeichelt Rolf.

„Du hast wohl Lust heute?“, erwidert sie.

Rolf tut, als hätte sie ins Schwarze getroffen.

„Ich muss die Wand fotografieren. Wir brauchen den genauen Weg.“

Rolf schießt etwa hundert Fotos. Werner auch. Auf ihrem Zimmer werden sie die erste Route festlegen. Eigentlich bräuchten sie auch etwas stärkeren Wasserfall. Für die Ausweichroute. Die legen sie spekulativ gleich mit fest.

Der Wasserfall von Partschins

Die ersten zehn Seiten sind draußen. Das ist nur ein Arbeitsfoto und ein Arbeitstitel. Ich muss das aus Lizenzgründen so machen. Sonst gibt es Streit mit Amazon und BoD, wo ich meine gedruckten Bücher verkaufe. Die kommenden zehn Seiten folgen. Normal schreibe ich das an einem Tag – aber in spätestens drei Tagen. Unsere Ämter bescheren uns seit der Pandemie reichlich Arbeit in Form von zusätzlichen, unbezahlten Unterbrechungen. Ich traue mir kaum noch Terminzusagen. Bei den „Herrschaften“ – unmöglich.

Der Wasserfall von Partschins

„Soweit ich kann, schon. Aber du trainierst ja neuerdings Dinge, die mir zu spektakulär sind.“

„Meinst du damit unser Eis- und Wasserbergsteigen?“

„Ja. Das ist auch ziemlich teuer.“

„Der Witz ist, dafür bekomme ich sogar viele Sponsoren.“

„Merke dir bitte Eins, mein Sohn: Je mehr Sponsoren, desto gefährlicher dein Anliegen.“

„Das scheint irgendwie dazu zu gehören.“

„Es steckt auch etwas Euphorie drin. Zu viel denke ich.“

„Warum zu viel?“

„Das macht etwas unvorsichtig und fördert die Risikobereitschaft.“

„Du meinst, ich renne dem falschen Ruhm hinterher?“

„Ja, sicher. Mit wem willst du das denn machen?“

„Ich kenne da zwei Paare. Die klettern gemeinsam recht anspruchsvoll. Du müsstest sie auch kennen.“

„Du meinst doch nicht etwa Günter und Karin?“

„Ja schon. Auch Werner und Beate.“

„Ja gut. Aber die sind doch nicht deine Liga.“

„Wie meinst du das?“

„Die klettern aus langer Weile. Sie leben von dem Geld ihrer Eltern.“

„Was stört dich dabei? Du bist doch nicht etwa neidisch?“

„Wenn ihr irgendwelchen Ruhm dabei erntet, ziehen die den an sich. Du gehst da leer aus. Die haben die Beziehungen, die du niemals haben wirst.“

„Von der Seite habe ich das noch nie betrachtet. Du könntest Recht haben. Ich frage sie.“

„Macht einen Vertrag und vereinbart die gerechte Teilung der Einnahmen und Ausgaben.“

„Du meinst, Alles durch Fünf?“

„Genau. Lass mich jetzt bitte etwas ruhen.“

Rolf geht in die Küche. Mama Sigi ist nicht hier. Sieglinde arbeitet im zweiten Kinderzimmer. In einem Zweitberuf. Posamentensticker in Heimarbeit. Im ersten Beruf arbeitet sie in der Brauerei im Büro. Bei der Andreas, Fahrer ist. Mit der Posamentenstickerei verdient sie das Wirtschaftsgeld der Familie. Und das wird zunehmend mehr. Wegen der angeblich steigenden Kosten. Sie hat Rolf nie Vorwürfe gemacht wegen seiner Arbeitslosigkeit. Sie kennt das zur Genüge. Auch von Andreas. Sie findet nur Eins seltsam. Ihre zwei Männer sind öfter von Arbeitslosigkeit betroffen als sie. Die Stelle als Fahrer bei der Brauerei hat sie Andreas verschafft. Mit reichlich körperlichem Einsatz in der Chefetage. Zusammen mit ihren zwei Kolleginnen. Die haben ihr gelernt, wie das funktioniert. Ihre Ehemänner dürfen davon nichts wissen. Gott bewahre. Das wäre eine Sünde und würde sich blitzschnell im Ort herum sprechen.

Der Wasserfall von Partschins

Der Wasserfall von Partschins

Die Erzählung ist den selbstlosen, freundlichen, hilfsbereiten Bürgern Südtirols gewidmet.

Eine Erzählung zur Tatsache, heute Gastgeber von wahnsinnigen, Selfie gesteuerten, sich selbst überschätzenden Abenteurern zu sein. Genau diese Abenteurer fordern aber reichlich Opfer unter der gastgebenden Bevölkerung in den Ländern und Gegenden, die sich der Rettung dieser Abenteurer und Gäste verpflichtet fühlen. In meinen Augen, ist das die höchste Form der Gastfreundschaft.

KhBeyer

Urlaubsvorbereitung

Rolf ist der Sohn von Andreas. Andreas hat in den frühen neunziger Jahren die DDR verlassen. Wegen der Arbeit. Andreas fand in Bayreuth eine Arbeit. Er wählte die Stelle wegen den Bergen. Die Fränkischen Berge ähneln sehr den Bergen seiner Heimat, Pirna. An diesen Bergen klettert er zu gern. Zusammen mit Rolf. Dem hat er das Bergsteigen früh beigebracht. Bergsteigen ist das Fitnessprogramm für Andreas. Rolf sieht das auch so. Beim Bergsteigen trainieren die Zwei den ganzen Körper. Auch den Kopf. Immerhin kann ein Fehler, die Gesundheit oder das Leben kosten.

Für Rolf brachte der Weggang nach Franken wenig Erfolg. Er ist arbeitslos. Seine Firma ging pleite. Eigentlich nicht. Die Firma wurde verkauft. Rolf gehörte nicht zum Inventar. Das zermürbte ihn sehr. Die Suche nach einer neuen Stelle, brachte keinen Erfolg. Er war zu jung. Zu unerfahren. Er wurde als vorlaut eingestuft. Auch als zu ehrlich. Das Alles stand in seinen Unterlagen vom Amt. Nicht in seinen Bewerbungsunterlagen. Die Entschlüsselung der vielen Absagen, hätten ein Studium erfordert. Das wollte Rolf vermeiden. Er sieht sich als Handwerker. Nicht als Sesselfurzer. Er hätte nie mehr in seine Stammkneipe zum Billard gehen können als Sesselfurzer. Die Kollegen hätten ihn pausenlos ausgelacht. Gehänselt sogar. Ein neuer Freundeskreis unter Bürokraten, ist Rolf ein Graus. Was soll er mit Denen reden? Unsinn, wie die? Oder praktische Dinge.

„Ich werde Profibergsteiger“, eröffnet er Andreas sein Anliegen.

„Naja. Ausbildung hast du genug.“

„Dir gefällt mein Berufswunsch?“

„Das wird wohl eher ein Muss als ein Wunsch sein.“

„Das ist eine Möglichkeit. Sonst muss ich wieder weg gehen hier.“

„Wie willst du damit Geld verdienen?“

„Ich denke, über Videoplattformen und mit Büchern.“

„Das klingt interessant. Ich sehe in den Videos aber immer recht riskante Manöver.“

„Das scheint dazu zu gehören.“

„Das musst du sehr gut trainieren.“

„Versprochen. Machst du mit beim Training?“